Es ist ja so: Oft hören wir etwas im Radio, von dem wir uns denken: Das merk' ich mir!
Zum Beispiel bei Ex Libris am Sonntag. Tja. Hier ein kurzer Überblick über das, was wir uns also eigentlich hätten merken wollten...
Nach meinem Tod zu veröffentlichen
Bereits in den frühen 1960ern hatte Pasolini ja von sich als Autor fantastischer (und umstrittener!) Romane reden gemacht und wandte sich – entgegen der Ablehnung Federico Fellinis und trotz des Scheiterns der ursprünglich erhofften Zusammenarbeit mit diesem – dem Kino als neue Ausdrucksform zu.
Um nichts weniger fantastisch sind aber seine Gedichte, die Suhrkamp in diesem 640 Seiten schweren Band zusammengefasst hat. Sie sind es, die uns seine Sichtweise auf Dinge, auf die Machtstrukturen und Umbrüche seiner Zeit, in einzigartiger Form gewähren. Darin finden wir seine Begeisterung für das (vor allem römische) Proletariat wie auch Zeugnisse seines schwierigen Selbstbilds und seines Kampfes damit.
Auch, wenn Gedichte zu lesen – noch dazu in größerer Zahl! – uns nicht alle begeistert: Im Falle des faszinierenden, feinsinnigen Pasolini zahlt sich eine Ausnahme sicherlich aus.
Nach meinem Tod zu Veröffentlichen
Pier Paolo Pasolini
Suhrkamp | Hardcover | 640 Seiten
ISBN 9783518430095
€ 43,95
In Persona
Pasolini gab, im Laufe seines Lebens, eine Vielzahl von spannenden Interviews. Obwohl er das, eigenen Angaben zufolge, nur ungern tat.
In In Persona versammelt der Wagenbach-Verlag spannende Auszüge aus steitlustigen Gesprächen und erzählten Anekdoten aus seinem Leben. Dabei geht es um seine Kindheit genauso wie um seine Ansichten zu den Problemen seiner Zeit, um seine Ablehnung un- und antidemokratischer Medien und seine eigenen Romane, die er zuweilen gegenüber Journalisten zu verteidigen sucht.
Dabei wird, einmal mehr, die große Bandbreite der Emotionen, zu denen er nicht nur fähig ist, sondern die er auch auf verschiedenste Weisen zu transportieren vermag, deutlich.
In Persona
Gaetano Biccari (Hrsg.)
Wagenbach | Klappenbroschur | 208 Seiten
ISBN 9783803137166
€ 22,70
Rombo
6. Mai und 15. September 1976: Zwei schwere Erdbeben erschüttern das Gebiet der nordöstlichen Alpen, das Friaul, und seine Einwohner schwer. Unter den Trümmern ihrer Häuser liegen beinahe 1.000 Menschen, eine wesentlich größere Zahl wird obdachlos und muss die Heimat verlassen.
Die mit einer solchen Wucht in das Leben der Menschen getretenen Traumata sind der Mittelpunkt dieses Romans, in welchem sieben Männer und Frauen erst langsam lernen, für das damit verbundene Leid Worte zu finden. Denn die Veränderung der Welt um sie herum, diese neuen Verwerfungen und Risse, der Tod und die Verzweiflung, haben auch in ihrem Inneren zu massiven Schäden geführt. Die so geschlagenen Wunden sind es, die Esther Kinsky mit überragendem Gespür für das Finden der richtigen Worte auszuloten weiß.
Der Roman wurde noch vor Erscheinen mit dem Deutschen Preis für Nature Writing 2020 und dem W.-G.-Sebald-Literaturpreis 2020 ausgezeichnet.
Rombo
Esther Kinsky
Suhrkamp | Hardcover | 267 Seiten
ISBN 9783518430576
€ 24,95
Muttersprache
Die Obsession für die gedachte Reinheit der Wörter ist es, die Paolo Prescher aus dem heimatlichen Bozen verscheucht. Denn wo er auch hinsieht meint er die Heuchelei zu erkennen, die er mit der vermeintlichen Zweisprachigkeit Südtirols verbindet.
Er nimmt seine Sprache – oder vielmehr: Die Sprache, die er als seine identifiziert – als etwas war, das unter dem Druck von Außen beschmutzt oder gar beschädigt wurde. Nachweisen, dass man eine Sprache spricht. Die Aphasie des Vaters. Die Mutter und die Schwester – alles Einfallstore für das Übel, dem er schließlich nach Berlin zu entfliehen versucht. Dort, vermutet er, ist die Sprache von rein.
Als er in der deutschen Hauptstadt die Italienerin Mira kennenlernt, die es schafft den Makel von seinen Wörtern zu nehmen, ist er umso mehr davon überzeugt, dass es ihm fortan besser gehen wird.
Bis zu seiner Rückkehr nach Bozen. Und zu den Wörtern, den schmutzigen.
Muttersprache
Maddalena Fingerle
Folio | Hardcover | 180 Seiten
ISBN 9783852568492
€ 22,00
Dr. Melchiors lustige Tiere
Michael Köhlmeier ist überzeugt: Es liegt viel Kraft in der Komödie. Und, weil Tiere offenbar derzeit sein literarischer Schwerpunkt sind, hat er eine Vielzahl unterhaltsamer Gedichte über sie und unser Verhältnis zu ihnen in diesem Band versammelt.
Illustriert von Lorenz Helfer erkundet das Buch das Verhältnis zwischen Mensch und Tier und die vielen Möglichkeiten kurzer, skurriler und in gebundener Sprache erzählter Anekdoten.
Dass es sich beim Titelgebenden Doktor um ein Alter Ego Köhlmeiers handelt ist dabei ein offenes Geheimnis.
Dr. Melchiors lustige Tiere
Michael Köhlmeier
Leykam | Hardcover | 120 Seiten
ISBN 9783701182251
€ 20,00
Das Vorkommnis
Was, wenn sich die eigene Geschichte mit einem Mal ändert? Wenn jemand kommt, der uns Facetten unserer Kindheit aufzeigt, die wir nie erlebt haben?
Unserer Protagonistin passiert genau das: Eines Tages taucht eine Frau auf, die behauptet ihre Halbschwester zu sein. Der Vater wäre es, den sie gemeinsam hätten. Und obwohl die kurze Begegnung eben genau das ist (nämlich kurz!), ist sie ein einschneidendes Erlebnis, dessen Folgen für uns, die wir das Buch lesen, mit jeder Seite weiter aufblühen. Sie sind es, die uns in den Bann der Überlegung und der Ungeheuerlichkeit ziehen, die ihren Ursprung in einer uns – und unserer Protagonistin – unbekannten Vergangenheit haben.
Ein kurzer Roman, eine kurze Blüte. Aber nichts desto weniger intensiv und tiefgängig.
Das Vorkommnis
Julia Schoch
DTV | Hardcover | 192 Seiten
ISBN 9783423290210
€ 20,60
Das Hörrohr
Es ist kein neues Buch, das hier in Ö1 Ex Libris vorgestellt wird: Leonora Carringtons Buch Das Hörrohr hat schon einige Jahre hinter sich gebracht, seit es erschienen ist. Ganz ähnlich geht es Marian Leatherby, die uns in diesem fantastischen Roman begegnet: Die 92jährige Dame steht, samt einem wundersamen Geschenk, in dessen Mittelpunkt.
Denn das Hörrohr, das eine Freundin mit leichten Ansätzen der Paranoia ihr schenkt, lässt sie die wahren Absichten ihrer Mitmenschen erkennen. So weiß sie ganz genau, wieso und weshalb ihre Familie sie in ein Altenheim abschieben möchte.
Doch das Altenheim erweist sich als ein ganz besonderes: So sehen die Gebäude ungewöhnlich(st) aus (etwa wie Geburtstagskuchen) und auch das Tor zur Unterwelt ist hier nicht verschlossen.
Alles in Allem: Vieles. Aber nicht gewöhnlich. Ein Manifest gegen die kalte Logik und für das Träumen bis tief in den Tag hinein.
Das Hörrohr
Leonora Carrington
Suhrkamp | Broschur | 218 Seiten
ISBN 9783518242094
€ 15,90