„Nur der Ermordete ist dumm dran“ – ein tiefer Blick in die österreichische Zeitgeschichte
Der Picus-Verlag hat dankenswerterweise im 90. Jahr nach der Erhebung der österreichischen Arbeiter und Arbeiterinnen gegen den Austrofaschismus den großen Roman „Das Himmelreich der Lügner“ von Reinhard Federmann (1923-1976) neu aufgelegt. Federmann gehört so wie sein Freund Milo Dor zu jenen Autoren, die in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts das literarische Leben entscheiden geprägt, aber wegen ihrer störrischen, demokratischen Gesinnung in der offiziellen Literaturgeschichte aber kaum Widerhall gefunden haben.
Fünf Abschnitte laden ein, den Protagonisten Bruno Schindler durch die dunklen 30er und die kaum besseren 40er Jahre in die desillusionierenden 50er Jahre zu begleiten. „Signale“, „Die Täter“, „Das Menschenrecht“, „Die Lügner“ und „Ein Himmelreich wird beerdigt“ heißen die Stationen im Lebensweg des Februarkämpfers Bruno, seiner echten und falschen Freunde, oder, schlimmer noch: Genossen und Genossinnen, ebenso wie seiner Gegner und Feinde.
Der Roman beginnt 1956, kurz nach der Niederschlagung des ungarischen Arbeiteraufstandes. Schindler, der als Journalist in Frankfurt lebt, soll von Wien aus eine Bilanz der Ereignisse in Ungarn ziehen, und muss sich in vielerlei Hinsicht seiner eigenen Vergangenheit stellen. Dem Heroismus im Kampf gegen die Austrofaschisten, die Hoffnungen in eine bessere Welt im „sozialistischen Russland“, das Scheitern dieser Illusion, der Verrat und die Erschöpfung alter Freunde. Und dann packt ihn der Ekel (es ist auch die große Zeit Sartres in Frankreich!), als er die Kumpanei zwischen SPÖ und ÖVP, der Nachkommen der einstigen Todfeinde, bei der Erstickung der Erinnerung an die jüngsten Vergangenheit erlebt.
Trotz Bruno Schindlers Ernüchterung ist Federmanns Werk ein Plädoyer gegen Passivität und Anpassung. Ein großartiges Buch, das hier und jetzt wieder aktuell ist.
Reinhard Federmann
Das Himmelreich der Lügner
Picus Verlag / 544 Seiten
€ 30.95 (Gebunden)
ISBN 9783711721297
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Verlagstext
In Wien am Abend des 12. Februar 1934, nach dem Ausbruch des binnen kürzester Zeit entschiedenen Bürgerkriegs, ziehen fünf Freunde und Sozialdemokraten aus, um eine Welt zu verteidigen, die es schon nicht mehr gibt, und sich der »Neuordnung Europas« entgegenzustellen.
Einer von ihnen, Bruno Schindler, erzählt von diesem vergeblichen Unternehmen. Er selbst rettet sich in die Sowjetunion und kehrt nach dem Krieg nach Wien zurück, wo er den Schicksalen seiner Freunde nachspürt: Die einen sind umgekommen, die anderen haben sich Hitler angeschlossen, wenigen gelang die Flucht ins Ausland. Schindler selbst kehrt in seine Stadt fremd, heimat- und hoffnungslos zurück.
Die Wiederentdeckung eines Meisterwerks der österreichischen Nachkriegsliteratur: Ein hochpolitischer, berührender Roman, ein Panorama der österreichischen Geschichte.