Views

Marc-Uwe Kling auf der finsteren Seite des Thriller-Genres

Marc-Uwe Kling kann auch anders. Und zwar vieles. Er kann ein rotzfreches Känguruh die deutschen Befindlichkeiten kommentieren lassen; er kann ein Neinhorn durch die Kinderzimmer jagen und Spachbasteln auf ein neues Niveau heben. Er kann mit Kinderbüchern, die eine absurd normale Familie ins Zentrum rücken, Themen wie Alzheimer oder Sexualaufklärung zum Schreien komisch abhandeln. Singen? Sowieso, und wer den Klassiker “Wer hat uns verraten” kennt, kann sich den als Hintergrundmusik zu einem der schrägen Spiele des Multitalents Kling aus dem Netz holen.

Und, um es einmal sehr Neudeutsch zu formulieren: Marc-Uwe kann auch Thriller. Und wie. “Views” ist eine finstere Geschichte, in der zwar pointierte Dialoge die Düsternis gelegentlich durchbrechen. Aber der Fall, den BKA-Kommissarin Yasira Saad, deren Eltern aus dem Libanon nach Deutschland zugezogen sind, zugewiesen bekommt, ist in vielerlei Hinsicht heftig. Ein 16 jähriges Mädchen verschwindet. Dann geht in den sozialen Netzwerken ein Video viral, das die brutale Gruppenvergewaltigung der Verschwundenen zeigt – durch offensichtliche Migranten.

Neonazis rufen zur Bildung von Bürgerwehren und zu Strafaktionen auf, während der politische Druck auf die Ermittlergruppe von Tag zu Tag steigt. Das gesellschaftliche Klima in Deutschland ist am Kippen, bis Yasira eine völlig neue Theorie verfolgt.

Aus gutem Grund darf der Rezensent nur wenig zum Inhalt des Buches verraten, zu überraschend sind einige Wendungen. Wer einen gescheiten, durchaus politischen und atemberaubend spannenden Thriller für die heißen Sommertage braucht, sollte zu Klings “Views” greifen. Eines ist garantiert: man erwirbt mit diesem Buch mehr als einen rasanten Krimi – da steckt viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren drin!